Zeitenwandel

Die Zeiten wandeln sich - und wir wandeln uns mit.
Fischeln ist eine alte Siedlung. Steinwerkzeuge fanden sich im Niederbruch, ein Römergrab wurde an Mohlen (Gietz) freigelegt und 943 wird eine Kirche in Fiscolo genannt. Krieg und Frieden haben miteinander nur zu oft abgewechselt; immer wieder war die Bevölkerung die Leidtragende. 1473 lag Karl der Kühne mit seinen Scharen elf Monate vor Neuss und seine Söldner plünderten das Land. Für Krefeld nennt die Schadensrechnung 4545 Gulden. Das Kreuz auf der Turmspitze unserer Kirche hat die Jahreszahl 1586, denn damals war die Kirche im Truchsessischen Krieg sehr beschädigt worden. Auch das Gewölbe stürzte ein und der Pfarrer Rutgerus Engels, dessen Grabplatte unterm Turm hängt, ließ 1683 die Kirche neu richten. Die Deckengemälde, die 1966 unter der Tünche freigelegt wurden, stammen aus der Zeit.

Über die Leiden und Schäden des Dreißigjährigen Krieges, d. h. für uns die Schlacht am Antonitag 1642, hat Pastor Fabritius Nachrichten aufgezeichnet.

Im Siebenjährigen Krieg kämpften an der gleichen Hückelsmey abermals Franzosen und Deutsche miteinander. Das Elend jener Tage spricht aus dem Tagebuch des Vorstehers J.W. Saaßen: „…und die ganze Nacht plünderten sie erbärmlich; im Dorf ließen sie Wein, Bier und Brandwein und was fließen konnt', laufen!“, da machten Freund und Feind keinen Unterschied. In Papieren des Wimmerhofes heißt es: „Die Leut gingen alle aus ihre Häuser und als sie wiederkamen, so fanden sie nichts als die ledige Häuser ganz zerschlagen und verwüstet." 1797 kamen die französischen Revolutionsheere und die Kosaken ins Dorf und brachten harte Einquartierungslasten mit sich. Die Kriege von 1813, 1864, 1866 und 1870 wurden anderwärts ausgefochten, und nur wenige Fischelner nahmen direkten Anteil. Anders war das 1914/1918. Außer den allgemeinen Kriegsnöten, Hunger und Verarmung mussten 242 Männer ihr Leben lassen. Die fünf Schwerter-Kreuze auf dem Friedhof sollten ihr ehrendes Gedächtnis festhalten. Doch der nächste Weltkrieg von 1939/1945 fegte sie hinweg und der trauernde Heimkehrer auf dem Friedhof, den Prof. Akkermann schuf, sinnt über unendlich viel mehr Kriegsnot und Kriegsleid nach. In diesem Krieg fielen nicht nur 306 Söhne unserer Gemeinde auf den Schlachtfeldern, sondern in der Heimat trafen die Bomben außer Hab und Gut auch 39 Personen tödlich. Ob unser Gebet: „Nie wieder Krieg!" Erhörung findet?

1976 wurde im Quadrum der Clemenskirche eine Madonna mit Kind aufgestellt, zu deren Füßen die Namen der Gefallenen der Pfarre aufgezeichnet sind. Die Statue wurde von der Bildhauerin Erica Vonhoff - Aachen gestaltet.

Bis zur Franzosenzeit waren wir Fischelner Kurkölner und die Gath war die Landesgrenze zum preußischen Krefeld. Der Wiener Friede schlug auch uns zu Preußen. Bei der Neugliederung wurde Fischeln eine Bürgermeisterei. Seit 1929 gehört unser Ort zur Großstadt Krefeld. Das sind 50 Jahre, was uns anregt zu fragen: „Wie war es früher"?

Damals hatten wir einen eigenen Gemeinderat mit 18 Mitgliedern, einen eigenen Bürgermeister von Amtswegen und 3 ehrenamtliche Beigeordnete. Bürgermeister Wilhelm Stefen, an den die „Wilhelm-Stefen-Straße“ erinnert, war ein ausgezeichneter Verwaltungsbeamter, der von 1898 an die Gemeindegeschicke leitete. Das Jahr 1898 hatte es für Fischeln auch sonst an sich. Damals kam der Postmeister Arnold Mehls, ließen sich Dr. Johannes Wolfers und in Königshof Dr. Ewald Kirch nieder. Auch zog in diesem Jahr der erste organisierte Martinszug. 1910 wurde das Rathaus an der Düsseldorfer Straße gebaut. Diese Straße, ursprünglich schlicht „de Landstro'et" genannt, wurde 1929 bei der Eingemeindung in Kölner Straße unbenannt. Bei der Gelegenheit ging der Straßenzug auf Krefelder Gebiet, der bis dahin Fischelner Straße hieß, in die Kölner Straße auf. Heute erinnert in Krefeld kein Straßenname mehr an den größten Vorort Fischeln, wir sind nur noch Krefeld 1.

Alt Fischeln war ein Bauerndorf. 1572 hatte Fischeln 92 Höfe und Häuser. 1631 gab es 100 laufende Hausnummern mit 302 Einwohnern. Bei der Eingemeindung 1929 hatte Fischeln 9300 Einwohner; heute wohnen hier über 26000 in über 4000 Häusern. - Als im 18. Jahrhundert die Krefelder Seidenindustrie großen Aufschwung nahm, gingen viele Fischelner zur Seidenweberei über, und straßauf straßab klapperten die „Taue“. Nach dem Übergang zur mechanischen Weberei wurde Fischeln geradezu zum bevorzugten Arbeiterwohnort für die Krefelder Industrie - 1852 kamen die ersten Gemüsebauern aus „Kappes-Hamm" nach Fischeln, um bei günstiger Marktlage hier Gemüsebau zu treiben. Heute haben die „Hämmer" neben Treibbeeten Kalt- und Warmhäuser, in denen sie außer Gemüse weitgehend Blumen züchten.

Vor 1900 kam die Industrie in den Ort. Die Brauerei Rhenania verlegte ihre Braustätte vom „Bröcksken" an die Obergath, in „Stahldorf'' entstand das Edelstahlwerk, heute Thyssen Edelstahl, die Kesselfabrik Reichling, Chemische Fabriken Rubach, Pottgießer, Langenfeld entstanden und vergingen, Butzon und Berker und Schwitzke ließen sich nieder. Ziegeleien, Kalksandsteinwerke und Webereien runden das Angebot. So wurde aus dem stillen Dorf ein Großstadtvorort.

Im Rathaus waren die Sparkasse und die Gemeindekasse untergebracht, deren letzter selbständiger Leiter August Ridder war. Er war der Nachfolger des Rentmeister Buscher, (Vaaße Johannes, an den heute der Vaaßenweg erinnert) der auch jahrzehntelange Leiter der Freiwilligen Feuerwehr war. Die heutige Sparkasse an der Kölner Straße steht an der Stelle von „Peppeschhof“. Der Sparkasse gegenüber liegt seit 1962 das Zweigpostamt 7. Als wir noch selbständig waren, hatten wir zwei selbständige Postämter mit je einem Postmeister als Vorsteher. An die erste Fischelner Post erinnert noch das „Hotel zur Post“, wo P.H. Dickmann seit 1848 eine Poststelle unterhielt. 1878 wurde diese zur Marienstraße Nr. 70 verlegt. 1889 wurde das Haus Kölner Straße 543 neugebaut und von der Post bezogen. 1919 zog sie dann nach Nr. 534 um. In Königshof besorgte der Wirt Johann Korff die Poststelle, bis sie in ein Postamt Königshof unter Postmeister Franz, später Ketteler, umgewandelt wurde. Im Postamt Fischeln amtete Postmeister Mehls.

An der Kölner Straße liegen heute 4 Apotheken: die Clemens Apotheke, die Süd Apotheke, die Brunnen Apotheke und die Mühlen Apotheke. 1898 eröffnete der Apotheker Wilhelm Grotemeyer die erste Fischelner Offizin gegenüber der Brotfabrik Hauses. Während um 1900 drei Ärzte, Hafels, Wolfers und Kirch, tätig waren, gibt es z.Zt. 10 Ärzte und 5 Zahnärzte.

Ursprünglich gehörten Fischeln, Königshof und Stahldorf zur Pfarre St. Clemens. 1896 hatte man den Grundstein zur Rektoratskirche Herz Jesu gelegt, den zu St. Bonifatius 1915. St. Bonifatius wurde 1958 nach einem Plan von E. Steffan neu erbaut. Beide Bezirke sind inzwischen zu großen Pfarren herangewachsen. Bei Bonifatius in „Stahldorf'' ist das bedingt durch das „Deutsche Edelstahlwerk“, das aus dem um 1900 gegründeten „Vulkan" hervorgegangen ist.

St. Clemens ist ein altehrwürdiger Bau. Ausgrabungen haben 1966 die Fundamente einer Kirche aus dem 10.Jahrhundert. freigelegt. Diese Frühkirche wurde durch Brand zerstört, und man baute an gleicher Stelle im 11.Jahrhundert eine größere Saalkirche mit einer Chornische. Im 12. Jahrbundert fügte man den heutigen Turm an. Das 13. Jahrhundert vergrößerte die Kirche um das nördliche Seitenschiff und 1750 baute man das Südschiff. 1867 erhielt die Kirche das Querschiff und die 5 Chornischen, von denen später 2 zu Sakristeien, „Gerkammern“, ausgebaut wurden. Bei der Instandsetzung 1966 durch den Architekten Cornelius Steinmann unter Pfarrer Eugen Kranz sind die Wände entfernt und die Chornischen wieder in den Kirchenraum einbezogen worden. Dabei wurde auch die Bauinschrift von 1867 frei: sie lautet:
eCCe.sVbtVs. Latet. Lapls. fVnDaMentalis (MDCCCLXV JJ - 1867 Siehe hierunter liegt der Stein des Fundamentes) –
Die evangelische Gemeinde bezog im Dezember 1958 ein Gemeindezentrum, dessen Mittelpunkt die Markuskirche an der Kölner Straße bildet.

Begraben wurden unsere Vorfahren auf dem Kirchhof im Schatten von St. Clemens. 1821 wurde der heutige Marienplatz als Friedhof angelegt. Als er 1852 für den Schulbau benötigt wurde, verlegte man den Friedhof an die Eichhornstraße, damals sagte man „an die Kellerheide“. Die Eichhornstraße, vorher Friedhofstraße, hat ihren Namen nach einem Krefelder Landrat (Fischeln gehörte 1816/1929 zum Landkreis Krefeld). Auch die Saaßenstraße und die Odenthalstraße halten das Gedächtnis an Landräte fest.

Die älteste Fischelner Schule lag am Kirchplatz; sie wurde 1915 abgebrochen. Für sie war 1852 die Marienschule als Erweiterung gebaut worden. 1855 wurde hier die Mariensäule aufgestellt. 1871 wurde die Königshofschule errichtet und 1878 die Südschule. 1903 entstand die Niederbruchschule und 1904 die Evangelische Schule. Am Limbourgplatz, der seinen Namen ebenfalls nach einem Landrat trägt, folgte 1908 die Stahldorf Schule.

Durch die Umorganisation des Schulwesens wurden die Neubauten am Wimmersweg, an der Hafelsstraße und an der Von-Ketteler-Straße erforderlich, wo die Freiherr-von-Stein-Realschule und die Sonderschule Platz fanden. In Kürze wird da auch ein Gymnasium bezogen.

Die Fischelner haben immer eine freigebige Hand für ihre Kirche gehabt; davon zeugen die vielen Figuren, die noch heute vorhanden sind. Genannt seien der jetzt im Chorbogen hängende Kruzifixus aus dem 15. Jahrhundert, der aus der gleichen Zeit stammende Antonius mit dem Schwein (Verkestünnes), St. Sebastian, St. Clemens und St. Matthias aus dem 17. Jahrhundert. Gottvater, Petrus, Johannes, Maria und Josef von Osterspey sind beachtliche Bildwerke des 18. Jahrhunderts. Die schönen Bankwangen von 1752 schmücken den Raum. Der Hochaltar ist wie der Rosenkranzaltar von 1900 und der Sebastianusaltar von 1916.

1975 wurde eine neue Orgel eingeweiht. Die Reliefs Antonius von Padua und Elisabeth von Thüringen schuf Prof. Akkermann. In verfolg der neuen Liturgiebestimmungen formte Prof. Henselmann München, den Zelebrationsaltar und Ambo. Er ist auch der Gestalter des Kreuzweges. Die neuerdings an der Sakristeiwand aufgestellte Pieta hatte Pfarrer Kranz ursprünglich für das Quadrum erworben, was sich dann als untunlich erwies. Über ihren jetzigen Platz freuen wir uns dank der Initiative von Dr. Wolters.

In diesem Zusammenhang sei auch die vorzügliche Gestaltung des Clemensplatzes erwähnt, der durch die Erhaltung des Hauses Nr. 7 seine Geschlossenheit gewahrt hat, der sich heute für zahlreiche kirchliche Veranstaltungen als erweiterter Kirchraum „unter St.Clemenskirchturmshahn" anbietet. Hingewiesen sei auf die alten Fenster mit den Butzenscheiben, die instand gesetzt sind und auf die 3 neuen Chorfenster von Prof. Fünders, welche die Sebastianusbruderschaft gestiftet hat. Die Bruderschaft bestand schon 1453; denn damals besaß sie bereits Land. Der neue Kindergarten ist auf Bruderschaftsland erbaut, daher der Name „Bruderschaftsweg“. Aus der „Bruderschaft“, die seit 1892 nicht mehr nach dem Vogel schießt, und einer alten „Junggesellschaft" entstand 1892 die „BürgerSchützen-Gesellschaft", die nach altem Brauch alljährlich den Königsvogel mit der Armbrust von der Stange holt und Schützenfest feiert. Diese Fischelner Schützenfeste gehören landauf, landab zu den meistbesuchten Heimatfesten. - Sie sind ein fester Kitt des Gemeinschaftsbewußtseins, das sich hier lebendig zeigt. In gleicher Richtung liegt die Bedeutung der zahlreichen Vereine für Geselligkeit und Sport, wobei die Gesangvereine besonders erwähnt seien, sind sie es doch, die stets dabei sind, wenn sich im Ort irgendetwas tut. Amtseinführungen in Kirche und Gemeinde, Jubiläen mit silbernem oder goldenem Kranz, Glocken- und Denkmalsweihen und alle anderen Feste öffentlicher Art werden durch ihre Sangeskunst festlich umrahmt. Und so hoffen wir, daß sich der Stadtteil Fischeln vom einst über das jetzt ausbaue in ein glückliches dereinst im Rahmen der Stadt Krefeld!
Von Franz Heckmanns (†)