Stadtteil-Check

Fischelner gehen "ins Dorf"

In Fischeln gibt es immer einen guten Grund zu feiern – und ist keiner da, dann suchen sich die Bürger einen. Durch die vielen Vereine ist das Leben im größten Stadtteil bunt.
Die Freude trübt der Verkehr auf der Kölner Straße.

Die „Hämmer" haben das Temperament mitgebracht. „Hämmer", so nennen die Fischelner die Menschen aus Düsseldorf-Hamm, die Mitte des 19.Jahrhunderts in Krefelds größten Stadtteil zogen. „Sie machten ein Drittel der Bevölkerung aus und brachten ein anderes Naturell und handwerkliches Können mit", weiß Bezirksvorsteherin Rosemarie Küpper. Heute sind die „Hämmer" längst überzeugte Fischelner geworden, die „ins Dorf" gehen und damit das Zentrum an der Kölner Straße meinen.
Das Leben in Fischeln ist geprägt von der Hauptverkehrsader, die den Ort in zwei Teile zerschneidet. Der viele Verkehr stört nicht nur die direkten Anlieger, die über den Gestank und den Lärm klagen. Zurzeit versucht die SPD, die Laster aus dem Ort zu verbannen. Aber: „Die Kölner Straße ist eine Bundesstraße. Das wird schwierig. Aber wir geben trotzdem nicht auf, sagt Doris Nottebohm kämpferisch. Die stellvertretende Bezirksvorsteherin lebt seit 20 Jahren in Königshof und schätzt an Fischeln die weit verbreitete Nachbarschaftshilfe, die Straßenfeste und Hausgemeinschaften.

Gut sortierter Einzelhandel
Die alt-eingesessene Fischelnerin Rosemarie Küpper lobt die gute Infrastruktur. „Wir haben hier bis auf eine Gesamtschule alle Schulformen. Zwei Schulen wollen einen Ganztagsbetrieb einrichten." Den gut sortierten Einzelhandel im Stadtteil sehen einige durch das neu entstehende Gewerbegebiet auf dem Frech-Gelände in Gefahr. „Das ist eine Unverschämtheit", ärgert sich Doris Nottebohm. Bürgervereinsvorsitzender Wolfgang Müller befürchtet ein stärkeres Verkehrsaufkommen. „Das wird unsere Ortsmitte wahrscheinlich noch mehr belasten."
Solche Argumente sind Wasser auf die Mühlen der Bürger, die für eine Umgehungsstraße sind. „Eine solche Straße müssten wir in Fischeln dringend haben, um die Kölner Straße zu entlasten", findet Bezirksvorsteherin Küpper. „Eine Umgehungsstraße müsste her", meint auch Wolfgang Müller. Aber: „Es vergeht die Zeit, und passieren tut nichts." Doris Nottebohm fürchtet um das idyllische Fischelner Bruch, sollte eine solche Straße kommen.
Ein Problem scheinen die Fischelner weniger zu haben: Fluglärm. Müller: „Man hört kaum noch Beschwerden. Vielleicht haben sich die Leute daran gewöhnt. Die Flieger sollen aber auch leiser geworden sein." Laut werden die Fischelner beim Thema Rathaus. Es bröckelt der Putz vom historischen Gebäude, das nun eingerüstet ist. Rosemarie Küpper: „Wir hoffen auf außerplanmäßiges Geld für die dringend notwendigen Reparaturen."

Kleines Paradies und Sorgenkind
Als „Paradies" beschreibt Bezirksvorsteherin Rosemarie Küpper das kleine Königshof, das viel Wert auf seine Eigenständigkeit legt. Und wie es im Paradies so ist: Es gibt dort selten Probleme. Zwar ist mal hier eine Straße kaputt und dort stört Müll am Schulgelände, aber so richtigen Ärger scheinen die Königshofer nicht zu haben.
„Hier ist die Welt in Ordnung. Wir lieben unseren schönen Flecken Erde", sagt Bürgervereinsvorsitzender Ulrich Reinecke aus voller Überzeugung. Von den knapp 3000 Königshofern seien über 1150 Mitglied im Bürgerverein. Und Vereine und kirchliche Institutionen wiederum seien eng miteinander verzahnt. Allein die Kölner Straße stört auch hier die Ruhe im Garten Eden. „Wir brauchen eine Umgehungsstraße. Aber sie darf nicht auf Kosten der Königshofer Wiese gehen", fordert Reinecke.
Stahldorf, direkt neben dem „kleinen Paradies", ist das „Sorgenkind der Bezirksvertretung", wie Doris Nottebohm, stellvertretende Bezirksvorsteherin, es ausdrückt. Ein Stadtteilkonzept ähnlich dem des Krefelder Südens sei hier dringend erforderlich. „Gerade für Kinder und Jugendliche muss hier noch mehr getan werden."
Ein Begegnungszentrum wünschen sich die Stahldorfer, weiß Bürgervereinsvorsitzende Marion Linder. Doch die Initiative von Seiten der Kirche und der Vereine sei auch jetzt sehr hoch und das Gemeinschaftsgefühl stark ausgeprägt. Probleme gibt es weiter durch die Staubbelastung im Umfeld von ThyssenKrupp Nirosta. „Mehr als der Staub stört die Leute, dass sie häufig von den Verantwortlichen von oben herab behandelt werden", sagt Marion Linder. Sie wünscht sich mehr Informationen.
RP-Serie Stadtteil-Check vom 23.05.05

Er rollt und rollt und rollt

Durch Fischelns Mitte rollt der Verkehr, meist unerträglich laut und verbunden mit erheblichem Gestank. Doch die Bürger haben auch Anteil an der Verkehrsbelastung ihres Stadtteils. Auf 16 471 Fischelner kommen immerhin über 7670 Kraftfahrzeuge.

Verkehr und Lärmbelästigung sind in Fischeln Themen, die kaum voneinander zu trennen sind. Schließlich gibt es kaum einen Bürger, der nicht schon einmal über die stinkenden Autoabgase oder die laut scheppernden Laster geklagt hätte. Und zur Rush-Hour rollt eine wahre Blechlawine über die Kölner Straße. Alles Autos von auswärts? Mitnichten. Die 16 471 Fischelner (Stand 2004) sind auch selbst gut mit fahrbaren Untersätzen versorgt. Über 7670 Kraftfahrzeuge zählten die städtischen Statistiker bis 2003. Inzwischen dürften es eher noch mehr geworden sein.

Zu wenig Einzelhandel
Noch extremer sieht es in Stahldorf aus. Auf 5112 Stahldorfer kommen 4114 Fahrzeuge. 5025 Königshofer wiederum fahren lediglich 2958 Wagen, Motorräder, Busse oder Laster. Trotzdem sind auch die Königshofer unzufrieden mit der Kölner Straße. Nicht nur wegen des starken Verkehrs, sondern auch wegen der fehlenden Einzelhändler. Dieses Problem teilen die Königshofer mit den Stahldorfern. In Königshof waren 2003 aber immerhin drei Ärzte ansässig und ein Optiker. Eine Apotheke gibt es jedoch nicht. In Stahldorf gab es zum selben Zeitpunkt lediglich zwei Ärzte, aber weder einen Optiker, noch einen Apotheker. Fischeln hingegen ist gut versorgt. Hier hatten 2003 34 Ärzte ihre Praxen, es gab vier Apotheker, zwei Optiker, vier Masseure und vier Krankengymnasten.
In Krefelds größtem Stadtteil (der Bezirk hat knapp 1900 Hektar) gibt es 12 267 Haushalte, 2214 davon in Stahldorf und 2443 in Königshof (Stand 2003). Die Zahl der Einpersonenhaushalte ist mit 4184 im gesamten Stadtteil hoch und wird nur von den rund 4500 Ehepaaren ohne Kinder übertroffen. 1681 Ehepartner haben mindestens ein Kind unter 18 Jahren, 558 sind allein erziehend. Durchschnittlich leben rund 2,2 Personen in einem Haushalt, in Stahldorf sind es mit 2,4 etwas mehr.

Über das höchste Einkommen verfügen die Einwohner von Fischeln-Ost mit über 25000 Euro pro Jahr, gefolgt von Bürgern in Fischeln-West mit knapp 23 000 Euro. In Stahldorf haben die Menschen im Durchschnitt nur knapp über 18 000 Euro zur Verfügung. Die Königshofer wiederum unterscheiden sich mit rund 22 000 Euro kaum von den Fischelnern.

Gehobenes Preisniveau
Daran konnte selbst die neue Flugroute Modru X nichts ändern: Nach wie vor ist Fischeln bei den Krefeldern als Wohngebiet sehr beliebt. Das mag vor allen Dingen an der guten Verkehrsanbindung nach Düsseldorf, der guten Infrastruktur und der grünen Umgebung liegen.
„Gerade junge Familien haben das Angebot an Bauflächen angenommen und sind dort heimisch geworden", sagt Immobilienmakler Claus Gröndahl. Betrachte man alle Krefelder Stadtteile, so sei Fischeln in den letzten zwei Jahrzehnten am schnellsten gewachsen. Daher sei es nicht weiter verwunderlich, so Gröndahl, dass dieser Stadtteil mit Quadratmeterpreisen von 260 Euro mittlerweile in der gehobenen Preiskategorie anzusiedeln sei.
Wer nicht bauen, sondern ein bereits bestehendes, freistehendes Haus kaufen möchte, sollte mit Preisen von rund 300 000 Euro rechnen. Einfamilien-Doppelhaushälften liegen ungefähr 20 bis 25 Prozent unter diesem Preis. Reihenhäuser sind ab 200 000 Euro zu haben. Wer eine Eigentumswohnung kaufen möchte, muss mit mindestens 1300 bis 1500 Euro pro Quadratmeter rechnen.
Preiswerter wohnt es sich in Stahldorf und Königshof. Hier liegen die Preise rund 20 Prozent unter denen, die in Fischeln gezahlt werden müssen. „Die Ortsteile Stahldorf und Neuland sind anders strukturiert. Hier sind noch sehr oft so genannte Siedlungshäuser anzutreffen, die oftmals eine geschlossene Einheit bilden", sagt Claus Gröndahl. Diese Bebauung sei vielfach "geprägt von großen Gartengrundstücken mit Häusern aus den 20er und 30er Jahren. Auch die Mietpreise fallen in Königshof und Stahldorf gegenüber Fischeln deutlich ab. Während in Fischeln teilweise Mieten bis 6,50 Euro pro Quadratmeter gezahlt werden, liegen die Preise in Stahldorf und Königshof teilweise deutlich unter fünf Euro pro Quadratmeter.
RP-Serie Stadtteil-Check vom 24.05.05

Von der Wiege bis zur Bahre

Die Fischelner Geschäfte bieten der Bevölkerung eine Vollversorgung. Rund 100 Läden gibt es allein an der Kölner Straße, den Anwohnern liebevoll „Kö" genannt wird. Allerdings fehlen zum vollkommenen Glück noch ein Uhrmacher und ein Zoofachhandel.

Vor dreißig Jahren, als die Straßenbahn noch eingleisig durch Fischeln fuhr, gab es nur wenige Geschäfte, die Waren über den täglichen Bedarf hinaus anboten. Neben Bäcker und Fleischer waren noch einige Lebensmittelläden vorhanden. Kleidung und Schuhe konnten auch eingekauft werden, aber das Angebot hielt sich in Grenzen. Das hat sich gewaltig geändert.

Ein Bummel auf der Kö
Die Hauptschlagader Fischelns, die Kölner Straße (Kö), hat sich zur Geschäftsmeile gemausert. Fuhren die Fischelner früher zum Einkaufen in die „City", also ins Krefelder Zentrum, bleiben sie heute im „Dorf“. Die Kö und ihre Nebenstraßen versorgen die Bürger „von der Wiege bis zur Bahre". Eine glückliche Entscheidung war der Entschluss tatkräftiger Kaufleute, den „Fischelner Werbering" aus der Taufe zu heben. Der Bund, der in diesem Jahr sein 20-jähriges Bestehen feiert, umfasst rund 100 Mitglieder. Zu beiden Seiten der Kölner Straße reihen sich Geschäfte und Dienstleister. Billig- und Ramschläden gibt es so gut wie gar nicht und auch nur wenige leere Ladenlokale.
Der Kunde findet Modefachgeschäfte, Schuhläden, Boutiquen und ein reichhaltiges Elektronikangebot. Bei Kindersachen können die Eltern wählen, und Holzspielzeug ist sehr gefragt. Blumenläden und Frisöre sorgen stets für frischen Schnitt und die Sparkasse sowie mehrere Banken für frisches Geld. Eine Buchhandlung hält Lesestoff parat. Und: Ist das Lebenslicht erloschen, bringen Bestattungsunternehmen die Verstorbenen würdig unter die Erde.
Aufgeschreckt wurde die Fischeiner Geschäftswelt allerdings durch die kaum noch zu verhindernde Ansiedlung von Discountern auf dem ehemaligen Frech-Gelände. „Wir haben Aldi, Lidl, Plus, Penny und Comet", zählt Rainer Schornsheim vom Bruderschaftsweg auf, „was sollen da noch mehr Supermärkte?" Karl-Heinz Hafels, 2. Vorsitzender des Werberings, hat sich mit einigen Geschäftsinhabern zusammen getan, um die Ansiedlung auf der grünen Wiese anwaltlich prüfen zu lassen. Angelika Pursche hat ein Geschäft für Miederwaren. Sie trifft den Nagel auf den Kopf, wenn sie sagt: „Wie können Politiker dazu auffordern, auch die Zentren der Vororte zu stärken, wenn sie unfähig sind, neue Discounter am Ortsrand zu verhindern?"
RP-Serie Stadtteil-Check vom 26.05.05